Pädagogische Führung konkret

Ludwig Ellinger

Pädagogische Führung konkret

Fallbeispiele an Schulen

Die Schule steht zur Zeit einer ständig wachsenden Vielfalt von Forderungen gegenüber, die von allen Seiten der Gesellschaft geäußert werden: Politiker nach den niederschmetternden Ergebnissen der PISA-Studie, Eltern zu mehr Erziehung und Ganztagsbetreuung, die Wirtschaft wegen Schlüsselqualifikationen und kultureller Grundfertigkeiten, die Medien zu wirksamerer Gewalt-Erziehung.... die Liste ließe sich noch beliebig verlängern. Die Debatten um nötige Reformen der Schule werden wegen des Wahlkampfs leider auch parteipolitisch beeinflusst, sie führen aber immer zu Überlegungen zu mehr Effizienz der Schule. Diese hängt nach Mortimores Untersuchungen von einer starken, positiven Schulleitung ab. Der 100seitige Band von Ludwig Ellinger und Werner Sprick kommt deshalb zum richtigen Zeitpunkt, um Schulleitern anhand von 32 Fallbeispielen aus der Praxis erfolgreiche pädagogische Führung aufzuzeigen. Schulleiter und ihre Stellvertreter schildern gelungene Aktivitäten aus ihrem Alltag. Dadurch entwickelt sich beim Leser ein zunehmend differenziertes Verständnis von dem, was Erfolg in der Schulleitung ausmacht. Sehr positiv hebt sich dieses Buch deshalb von anderen 'Best practice'-Berichten ab, die wegen ihrer Perfektion kaum übertragbar erscheinen. Im ersten Teil stellt Ellinger in prägnanter, anschaulicher Form sein idealtypisches Konzept zur pädagogischen Führung vor. Es basiert auf Untersuchungen der erfolgreichsten Leistungen von Führungskräften in der Wirtschaft und in der Schule. Die von Kouzes und Posner gefundenen Basisstrategien wurden von Fischer/Schratz, Bessoth, Dubs und Rolff weiterentwickelt und von Ellinger (Pädagogische Führung - die dritte Dimension, 2001) zu einem idealtypischen Führungskonzept ausgestaltet. Eine erfolgreiche Schulleitung kennzeichnet eine multilaterale, handlungsorientierte Führung mit 16 unterschiedlichen Eigenschaften, die von Ellinger gut fassbar und dicht beschrieben werden. Die nachfolgenden Fallbeispiele in Form kurzer Berichte und Interviews erfreuen durch ihre Konkretheit, Anschaulichkeit und die Lebendigkeit des Ausdrucks der Akteure. Zusätzlich werden sie illustriert durch Zeitungsartikel, kurze Redetexte, Projekt-Programme, Grafiken u.ä. Der Gefahr, die Aufmerksamkeit des Lesers durch lange Ausführungen über die Schulwirklichkeit zu verlieren, entgehen Ellinger/Sprick durch eine kurze abschließende kommentierende Analyse. Darin werden die Fallbeispiele jeweils an den 16 Kriterien des idealtypischen Konzepts gemessen. In dieser sehr dichten und kurzen Analyse werden die markanten Elemente desjenigen Schulleitungs-Handelns deutlich, die zum Gelingen beigetragen haben. Die Fälle werden in vier Kapiteln vorgestellt, die sehr häufig pädagogisches Führungshandeln erfordern. Der erste Bereich widmet sich pädagogischer Führung bei Projekten. Mehr als ein Dutzend Fallbeispiele von gelungenem pädagogischem Führungshandeln werden beschrieben und analysiert wie z. B. Tag der offenen Tür, Projektwoche zu PISA, Projekt Unterwasserwelt, Projekt Computerwerkstatt, Schulsozialarbeit. Das nächste Kapitel wendet sich pädagogischer Führung bei Personalangelegenheiten zu, einem ebenso sensiblen wie heiklen Bereich innerhalb des Lebensraums Schule. Schulleiter beschreiben ihr - letztlich erfolgreiches - Vorgehen und das vorsichtige Beachten von persönlichen Grenzen beim Eingreifen bei körperlicher Züchtigung, häufigen Fehltagen oder Alkoholproblemen einer Lehrkraft. Gelingende pädagogische Führung bei Schülerproblemen, die Schulleitung immer öfter leisten muss, wird anschließend in sechs Fallbeispielen geschildert und analysiert. Roher Vandalismus, Verweigerung jeder Anordnung von Lehrkräften, geglückte Reaktion auf konkrete Suizidgefahr: Mancher Leser wird Ähnlichkeiten zu eigenen Erlebnissen wiedererkennen und vermutlich Anregungen zu besserer Bewältigung in den Beschreibungen oder in der nachfolgenden Analyse finden können. Das letzte Kapitel enthält Fallbeispiele aus dem ständig wachsenden Problembereich beim Umgang mit nicht kooperativen Eltern. Pädagogische Führung bei derartigen Problemen wie vorgetäuschten oder wirklichen Körperdelikten, Auseinandersetzungen wegen eines Vergewaltigungsverdachts oder juristischer Auseinandersetzungen mit den Eltern bis vor das Verwaltungsgericht werden sehr anschaulich in ihrem Verlauf geschildert und von Ellinger/Sprick analysiert und kommentiert. Bei der Bewertung des pädagogischen Handelns entlang der 16 Eigenschaften des idealtypischen Konzepts wird deutlich, warum die Akteure in diesen Aktionen erfolgreich blieben. Gerade der wiederkehrende Wechsel zwischen anschaulich beschriebener Schulleitungspraxis mit konkretem Führungshandeln und der reflektierenden Analyse des Handlungserfolgs anhand der 16 Kennzeichen gelingender pädagogischer Führung macht den Reiz zum Weiterlesen aus. Damit ist das Buch für Schulleiter und Stellvertreter in ihrer Ausbildung sehr hilfreich, indem es ein Gerüst samt Elementen für das eigene Führungshandeln anbietet. Vor allem empfiehlt sich das Buch aber als Nachschlagewerk für alle Schulleitungsmitglieder, Lehrer und für interessierte Eltern oder Elternbeiräte, um Einblick in die Problemfelder und die Handlungsmöglichkeiten für die Schulleitung zu erhalten. Gleichzeitig legt dieser Band aber auch beredtes Zeugnis ab von den vielfältigen Anforderungen an Schulleitung heute und von ihrem großen pädagogischen Führungsvermögen auch in hochkritischen Situationen - und dies trotz der widrigen Rahmenbedingungen, unter denen Schulleitung im Volksschulbereich arbeiten muss. Es sei deshalb auch den Bildungs- und Finanzpolitikern ans Herz gelegt.


ISBN 3-934785-13-1