Werner Fritz
Die Leiden des alten Werners
Satiren und Erinnerungen - Mit Zeichnungen von Ernst Jani
Die Leiden des alten Werners
Dieses Buch beginne ich mit der Schilderung meines Rentnerdaseins, weil es ohnehin niemanden interessiert. Was? Nun, das Buch und mein Rentnerdasein.
Ich werde dieses Buch dann später einmal selbst lesen, wenn es schon sonst niemand lesen will. Es gibt ohnehin viel zu viele Bücher, die man unmöglich alle lesen kann und es ist nicht einzusehen, warum jemand ausgerechnet dieses Buch lesen sollte. Ich wünsche daher mir, dem Leser, viel Vergnügen bei der Lektüre.
Es soll ein Lesebuch werden, das unter anderem auch eine reizende Liebesgeschichte enthält natürlich eine, die nicht gut ausgeht, mit unhappy end, sozusagen. Liebesgeschichten mit glücküberströmtem Ausgang sind schließlich nichts weiter als langweilig.
Die Bezeichnung 'Lesebuch' hat mich schon immer irritiert. Man spricht schließlich auch nicht von einem Fahreauto, einem Trinkebier oder einem Essebraten. Wozu soll ein Buch sonst gut sein, als darin zu lesen? Vielleicht hat es damit zu tun, daß man ein Buch auch zweckentfremden kann, etwa als Wurfgeschoß bei Ehestreitigkeiten. Manchmal dient es auch nur zur Dekoration des Wohnzimmerschranks und soll eventuellen Besuchern Intellekt und Belesenheit des Gastgebers vorgaukeln. Am besten eignen sich hierzu Bücher in echt Leder mit Goldprägung.
Dieses Lesebuch beginnt also mit der Schilderung der schönsten Zeit im Leben, und diese als Leidenszeit zu bezeichnen, ist wohl ein bemerkenswerter Fall von menschlicher Undankbarkeit. Jene Zeit nämlich ab dem Datum, da erstmals der Rentenbetrag auf dem Bankkonto eintrifft. Man registriert einigermaßen erstaunt, daß man nunmehr Geld fürs Nichtstun bekommt. Die lebenslangen Einzahlungen in die Rentenkasse geraten ob dieser erhebenden Erkenntnis nur zu leicht in Vergessenheit. Auch wird einem nicht bewußt, daß man in ungeheurem Reichtum schwämme, hätte man all diese Einzahlungen von Anfang an gut und zinsbringend angelegt. Nun sieht man sich gezwungen, noch möglichst lange zu leben, um wenigstens einen Teil des Eingezahlten wieder herauszubekommen. Von den Zinsen ganz zu schweigen.
Wie dem auch sei, immerhin ist nun der vorläufig endlose, sorgenfreie Urlaub angebrochen und künftig landet allmonatlich das zustehende Urlaubsgeld auf dem Konto, pünktlich am letzten Werktag des Monats. Man kann nunmehr unbeschwert dem Motto anhängen: Was ich heute nicht erledige, das erledige ich morgen auch nicht. Man muß nicht mehr jeden Tag zur Arbeit, ins Büro oder ins Geschäft und kann den ganzen, lieben langen Tag tun was man will, sofern man nicht verheiratet ist.
Womit nicht gesagt sei, letzteres hätte nicht auch seine Vorzüge...
ISBN 9783934785366