Werner Fritz Brigitta

Werner Fritz

Brigitta

Eine Männerfantasie

Ein älterer Herr träumt nach der Lektüre der Grönlandsage von einer wunderschönen Grönländerin. Und tatsächlich beschenkt ihn der "Liebe Gott" mit einer 28jährigen Grönländerin aus dem Jahr 1732. Mit großer Liebe und Hingabe versucht unser Held seiner jungen lebenslustigen Gefährtin die Tücken des modernen Lebens beizubringen: Radfahren, Einkaufen, zum Arzt gehen, sich richtig kleiden, kochen, Autofahren, Urlaub machen und andere Alltäglichkeiten, alles absurd und vergnüglich. „Lieber Gott“, entgegnete ich, „natürlich bin ich glücklich über meine Zukunft mit einer so jungen Frau und das mit der Achtzehnjährigen war doch nur scherzhaft gemeint. Ich habe nämlich oft genug die Heirats- und Kontaktanzeigen in der Zeitung gelesen und festgestellt, dass die Frauen heutzutage seltsame Vorstellungen haben. Die Fünfzigjährigen suchen einen, der gerade mal auch fünfzig ist, lieber wäre ihnen aber einer, der fünf oder zehn Jahre jünger ist. Es wäre mir demnach nichts anderes übriggeblieben, als mich im Altenheim nach einer Frau umzusehen. Was mein bisheriges Leben betrifft, meine ich auch, dass ich mir kaum etwas zuschulden habe kommen lassen. Gewiss habe ich einigen Kunden ein paar Stunden mehr auf die Rechnung gesetzt, als ich tatsächlich gearbeitet habe, und die paar Kröten, die ich dem Finanzamt verschwiegen habe, führten nicht gerade zum Untergang der Nation. Ansonsten habe ich niemals jemandem den Schädel eingeschlagen, um an sein Geld oder seine Frau zu kommen.“ „Ich weiß, da gibt es viele, die das Finanzamt und damit das Volk um Millionen betrogen haben, und die werde ich mir alle einzeln vorknöpfen. Sie bekommen alle für längere Zeit kein Manna.“ „Auch kein Bier?“ „Bier gibt es keins im Himmel.“ Ich überlegte kurz, ob ich dann da überhaupt hin wollte. „Noch etwas, Lieber Gott,“ fuhr ich mit meinen Recherchen fort, „hast Du diese Frau denn darauf vorbereitet, was auf sie zukommt, weiß sie, was sie hier erwartet, und was hast Du ihr von mir erzählt?“ „Nun, da kann ich dich beruhigen“, entgegnete er, „sie weiß recht gut Bescheid. Ich habe ihr gesagt, dass ich sie in eine neue Zeit versetzen werde und dass es dort sehr vieles geben wird, was sie nicht kennt. Ich habe sie auch gefragt, ob sie das überhaupt will, denn ich überließ dies ihrer freien Entscheidung. Sie hat aber gesagt, die Sauermilch und das gedörrte Seehundfleisch hingen ihr ohnehin längst zum Hals heraus und sie freue sich auf diese neue Welt. Auch habe ich nicht vergessen, ihr die Deutsche Sprache einzuhauchen, damit ihr euch verständigen könnt. Ich habe ihr aber nicht allen Unsinn deiner Zeit beigebracht und was eine Geschirrspülmaschine oder ein Computer ist, das musst du ihr schon selbst beibringen ....

In den folgenden Monaten gedieh Brigitta zur perfekten Hausfrau und konnte schließlich lesen und schreiben wie andere Frauen auch. Die Zeit der Dosensuppen und Eieromeletts mit Würstchen oder Champignons hatte sich verabschiedet, der Umsatz des Lebensmittelmarktes mit tiefgefrorenen Pizze ging erheblich zurück. Auch hatte ich Brigitta in meinem Verein bekannt gemacht und dadurch ergaben sich für sie weitere erbauliche Bekanntschaften mit Frauen, Lydia aber blieb ihre Busenfreundin und die beiden waren unzertrennlich. Hie und da riefen Redakteure an, die einen Berichterstatter suchten und so nahm ich Brigitta gelegentlich mit in Konzerte oder andere Veranstaltungen, wo sie sich darüber wunderte, dass ich keinen Eintritt bezahlte und nur sagte: „Für mich sind zwei Plätze für die Presse reserviert.“ Es war für mich ein ganz neues und auch beglückendes Gefühl, hierfür jetzt zwei Plätze in Anspruch zu nehmen. Früher hatte man mich immer gefragt, ob ich zwei Plätze bräuchte, aber meine Antwort hatte immer gelautet: „Danke, nur einen.“ Brigitta sah bei einer solchen Gelegenheit, dass ich mir in einem Block Notizen machte. „Was schreibst du da? Du bist der einzige, der hier schreibt.“ „Ich schreibe einen Artikel über dieses Konzert für die Zeitung“, klärte ich sie auf. Sie staunte. Einige Tage später kam sie aufgeregt mit der Zeitung in der Hand zu mir und sagte: „Sieh mal, dein Name steht in der Zeitung! Hier unter diesem Artikel! Dein Artikel steht wirklich in der Zeitung!“ „Siehst du, es hat auch seine Vorteile, mit einem reiferen Knaben liiert zu sein. Die können eben manches, was junge noch nicht können.“ „Ich muss wohl noch viel lernen, bis ich das auch kann.“ „Das musst du gar nicht können. Die meisten anderen können das auch nicht.“ „Auch Horst nicht?“ „Nein, auch Horst nicht. Er hat es selbst einmal gesagt.“ „Obwohl er ein Lehrer ist?“ „Weil er ein Lehrer ist.“ Unter anderem hatte Brigitta bemerkt, dass andere Frauen sich die Lippen anmalten und die Augen mit allerlei Farben und Tuschen zu verschönern suchten. Sie fragte mich, ob sie das auch tun solle und ob sie mir dann besser gefiele. „Lass das alles sein, Brigitta. Du hast schöne, große, blaue, langbewimperte Augen und die bedürfen keiner Kriegsbemalung. Deine Lippen sind von Natur aus schön geschwungen und rot genug. Ich küsse sie lieber als rot angemalte und sie schmecken nach dir und nicht nach Chemie.“ Ich probierte das gleich aus und stellte fest, dass sie frisch nach Brigitta schmeckten und nicht nach Lack. Nebenbei sparte meine Vorliebe für Natur eine Menge Geld....


ISBN 3934785182