Stich, schlag würg hier, wer da kann

Martin Luther

Stich, schlag würg hier, wer da kann

Luthers Antwort auf den Bauernaufstand von 1525

Textausschnitt:

"Stich, schlag, würg hier, wer da kann. Kommst du dabei um - wohl dir! - einen seligeren Tod kannst du nimmer mehr bekommen; denn du stirbst im Gehorsam des göttlichen Worts und Befehls und im Dienst der Liebe, deinen Nächsten zu retten aus der Hölle und des Teufels Banden. So bitte ich nun: Es fliehe vor den Bauern, wer da kann, als wie vom Teufel selbst!"

Mit diesen Worten beendet Martin Luther seinen Aufruf, gegen die aufständischen Bauern vorzugehen.

Zur historischen Situation: 1525 erhoben sich die einfachen Leute, das Volk, bewaffnet, gegen die ihnen unerträgliche Herrschaft der geistlichen und weltlichen Obrigkeiten. Sie rebellierten in einzelnen Regionen. Von Oberschwaben aus breitete sich der Aufstand besonders durch das Programm der 12 Artikel (entstanden Ende Februar 1525, Mitte März gedruckt, circa 25 Nachdrucke in zwei Monaten, Auflagenhöhe jeweils ca. 1000) zeitlich nacheinander aus, anfangs in Franken, später in Württemberg und Thüringen.

Haß hatte sich angestaut schon über viele Jahre hin. Das Volk war in den Jahrzehnten vor der Erhebung durch Steuern und Abgaben immer stärker belastet worden. Man fühlte sich unterdrückt und ausgebeutet. Arbeiter verdienten kaum mehr als Almosenempfänger. Die Obrigkeit wälzte finanzielle Belastungen auf die kleinen Leute ab; nicht Reichtum und Besitz, sondern der alltägliche Verbrauch wurde besteuert. Die weltlichen und geistlichen Herrschaften beanspruchten immer mehr und schränkten gleichzeitig die alten Rechte ein. Die Selbstbestimmung durch dörfliche Organe, die genossenschaftlich organisiert waren, wurde zunehmend durch herrrschaftliche Juristen und Beamte ersetzt.

Jetzt kämpften Bauern, Handwerker, Bürger und andere Abhängige darum, ihre verlorenen Rechte von den alles bestimmenden Herrschaften wieder zu erhalten. Es ging bei diesem Aufstand des Volkes um die politische Rechte der Gemeinde, um eine Zurücknahme von Abhängigkeiten, Diensten, Vorschriften und Abgaben (mehr als die Hälfte für Steuern und Zinsen). Es ging um die Autonomie der Gemeinde, also darum, ob die Menschen über ihre Angelegenheiten und Abgaben selbst bestimmen sollten oder eine eingesetzte Verwaltung, die von oben darüber entschied. Mißstände, Unterdrückung und Selbstsucht der kirchlichen und weltlichen Oberschicht waren so groß, daß das gemeine Volk die Abschaffung sämtlicher Privilegien des Adels und des Klerus im Rechts- und Wirtschaftsleben forderte, da sie nichts für die Allgemeinheit taten.

Vorbild für die Gegenwehr war die Reformation. Was in der Kirche möglich war, sollte auch in der Gesellschaft möglich sein. Begründet wurden die Forderungen mit den Worten der Bibel. Doch der große Reformator Martin Luther stellte sich auf die Seite der Regierenden. Er hatte gegen Unterdrückung und Ausbeutung, gegen Verschwendung und Luxus und gegen den Mißbrauch von kirchlichen Spendengelder für weltliche Zwecke geschrieben. In dem 'Sermon von dem Wucher' und in der Schrift 'An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung' hatte er die Herrschenden aufgefordert, wirtschaftliche und moralische Reformen durchzuführen. Doch er wehrte sich vehement dagegen, die religiöse Reformation auf weltliche Verhältnisse zu übertragen und mit Bibelzitaten zur sozialen und politischen Veränderung aufzurufen.

Der Krieg setzte nirgendwo unvermitttelt ein. Zuerst fanden Kundgebungen statt. Forderungen wurden gestellt. Als es keine Fortschritte gab, begannen zielgerichtete Erhebungen und Zerstörungen von Klöstern und Burgen. Doch sobald den Fürsten und Landesherren Söldner zur Verfügung standen, stellten sie diese den Bauern entgegen. Selten gab es eine friedliche Lösung, wie etwa den Vertrag von Weingarten, wo die Bauern zahlenmäßig überlegen und militärisch mindestens ebenbürtig waren.

Die Schlachten endeten in einem riesigen Gemetzel. Tausende von Bauern wurden ohne Gnade auf der Flucht erstochen oder erschlagen, auch wenn sie sich kampflos ergeben wollten. Die Anführer wurden in jedem Fall gehenkt, verbrannt, geköpft. Die Teilnehmer am Aufstand mußten ihre Waffen abliefern, der Obrigkeit wieder Treue und Gehorsam schwören und Strafe für den Schaden bezahlen.


ISBN 3927966770 (Kartoniert)
ISBN 3927966746 (Gebunden)