Fabeln

Hans Mayer (Hg.)

Fabeln

Texte für den Unterricht Deutsch als Fremdsprache - Zum Lesen und Nacherzählen

Der Wolf und der Hund

Ein hungriger Wolf traf nachts auf der Suche nach Futter einen gut genährten Hund und fragte ihn: "Wie gefällt es dir denn so in der Stadt?" - "Ganz gut", sagte der Hund, "ich mache nur einen Spazier­gang, kehre aber bald wieder zu meinem Herrn zurück. Dort habe ich gutes Essen und Trinken und ein warmes Bett und brauche mich um nichts zu kümmern." "So, so", knurrte der Wolf. Dann sagte der Hund: "Dir scheint es nicht so gut zu ge­hen. Du siehst schlecht aus, abgema­gert. Bekommst wohl nicht jeden Tag genug zu fressen?" Der Wolf antwortete: "Ich will dir dein Glück gönnen; aber ich bleibe lieber im Wald, auch wenn ich manchmal hungrig oder durstig bin. Ich bin lieber frei und verzichte gerne auf dein Glück in Fesseln und Ketten."


Der Hahn und der Fuchs

Ein Fuchs kam auf einen Bauern­hof. Als er den Hahn oben auf der Scheune sah und hörte, wie er mit lautem Schreien die Hüh­ner warnte, rief er: "Hallo, Gockel, mach kein Spek­takel, ich bringe dir eine frohe Nachricht, die du gleich an alle weitergeben kannst: Über­all im ganzen Land ist Friede und kein Krieg mehr! Auch ich möch­te dir meinen Friedensgruß geben und dich brüder­lich umar­men. Komm nur herab zu dei­nem neuen Freund!" "Umar­me nur zuerst die Hunde dort, die gerade kom­men!" krähte der Hahn vom Dach. Da zog der Fuchs seinen Schwanz ein und lief schnell davon. "Warum läufst du denn da­von?" rief ihm der Hahn nach. "Nun, Bru­der", antworte­te der Fuchs, "ich weiß nicht, ob die Hunde die frohe Botschaft schon gehört haben."


Zwei Hähne

Auf einem Bauernhof lebten zwei Hähne ruhig und friedlich. Als eines Tages eine neue Henne kam, ging ein Streit los, und es entstand ein furchtbarer Kampf, der täglich neu aufflammte. Die anderen Hennen schauten begeistert zu und feuerten die beiden mit wildem Gegacker an. Nach einiger Zeit war der Kampf been­det; der Verlierer schlich traurig da­von. Stolz herrschte nun der Sieger über das Federvieh und ge­noß sein Glück, weil die Hen­nen ihm alle zu Diensten standen. Als der stolze Sieger wieder ein­mal vom Dach des Hauses lauthals seine Herrschaft verkündete, kam ein Adler und tötete ihn. Und nun trat der Besiegte die Herrschaft an.


ISBN 3934785271